Beitrag zur Rettung einer in der Natur ausgestorbenen Tierart
Im Zoo Heidelberg sind im vergangenen Jahr 10 Socorrotauben geschlüpft. Insgesamt leben weltweit nur noch 182 Tiere dieser Vogelart – ein bedeutender Anteil davon stammt aus dem Zoo Heidelberg. Auf den ersten Blick mag die Socorrotaube mit ihrem braunen Gefieder unscheinbar wirken. Zoo-Besucher sollten dieser Tierart im Vogelrevier des Zoo Heidelbergs allerdings besondere Beachtung schenken. Die hochinteressante Geschichte dieser, schon fast ausgestorbenen Vogelart, zeigt, welche wichtige Rolle zoologische Gärten bei der Rettung von Tierarten spielen.
Die Socorrotaube kam ursprünglich nur auf der abgelegenen Vulkaninsel Socorro vor. Die knapp 132 km² kleine pazifischen Hochseeinsel Socorro liegt rund 700 km vor der Küste Mexikos. Der Lebensraum der Socorrotaube war ein Wald mit dichtem Unterholz – hier ernährten sie sich von Sämereien und kleinen Insekten und nisteten in dichtem Gebüsch, wo sie vor Fressfeinden sicher waren. Mit den Menschen kamen allerdings auch Ziegen und Schafe auf die Insel, die das Unterholz der Wälder kahlfraßen und den Lebensraum der Tauben zerstörten. Später wurden zudem Katzen eingeführt, die als Fressfeinde den Tauben den Rest gaben. Seit 1972 ist die Socorrotaube in der Natur ausgestorben.
Zum Glück gab es zu diesem Zeitpunkt noch einige Socorrotauben in Zoos in den USA und Europa. Es wurde ein Erhaltungszuchtprogramm zur Rettung der Art initiiert. So oblag nun den Zoos die große Herausforderung, die kleine Taubenart in menschlicher Obhut zu erhalten. Dieses Unterfangen entpuppte sich als durch schwierige Aufgabe, denn Socorrotauben sind sehr wählerisch bei der Partnersuche und können untereinander extrem aggressiv sein. Bei der Zusammenführung neuer Tiere kann es leicht zu Verletzungen und sogar zum Tod der Tiere kommen. Die Haltung und erfolgreiche Vermehrung ist deshalb besonders anspruchsvoll. Neue Paarungen müssen sorgsam ausgewählt und beobachtet werden. Zudem sind weibliche Socorrotauben nur für vier Jahre vermehrungsfähig, was die langfristige Erhaltung zusätzlich erschwert.
Verstehen sich Männchen und Weibchen jedoch gut miteinander und beginnen mit dem Nestbau, legen sie fast immer genau zwei Eier, die sie gemeinsam bebrüten. Die Jungtiere werden ebenfalls gemeinsam mit einer eigens im Kropf produzierten Flüssigkeit gefüttert, der sogenannten Kropfmilch. Regelmäßig kommt es sogar zu einer Schachtelbrut. Das bedeutet, dass ein neues Gelege bereits in ein zweites Nest gelegt wird, während im anderen Nest noch Jungvögel sitzen.
Im Zoo Heidelberg werden seit 2016 Socorrotauben gehalten und regelmäßig erfolgreich vermehrt. Seit 2023 lebt ein neues Pärchen im Tiergarten am Neckar und dieses scheint sich besonders gut zu verstehen. „Innerhalb von einem Jahr hat dieses Pärchen bereits 10 Jungtiere großgezogen. So ein erfolgreiches Brutpaar gibt es soweit wir wissen nicht noch einmal“ berichtet Dr. Eric Diener, Kurator für Vögel, sichtlich stolz.
Da es insgesamt weniger als 200 Socorrotauben auf der Welt gibt, ist jedes einzelne Jungtier enorm wichtig für den Arterhalt. Aktuell arbeiten Europäische Zoos mit der Regierung Mexikos zusammen, um den Lebensraum auf der Insel Socorro wiederherzustellen. Schafe und Ziegen wurden von der Insel entfernt und es wurden bereits die ersten Auswilderungsvolieren auf Socorro installiert. Die zuständigen Artenschützer hoffen, dass innerhalb der nächsten Jahre bereits erste Auswilderungen der Socorrotaube durchgeführt werden können. Möglicherweise erobern sich dann auch Tiere aus Heidelberg ihren Lebensraum nach einer Abwesenheit von über 50 Jahren zurück.